Tempo

Ausschnitt aus dem Tempo-Tourplakat „Into The 80s“, Berlin 1979

Gestaltung: © Stephanie Hantzko

Am Anfang war Der Lange. Er war der erste Punk in Berlin. Jedenfalls der erste, der mir über den Weg lief. 1975 muss das gewesen sein. Der Typ sah damals schon aus wie eine Mischung aus Johnny Thunders und Joey Ramone. Spindeldürr, ein enges, zu kurzes T-Shirt, eine schwarze Lederjacke und die ersten, am Knie zerrissenen Jeans, die über Berlins Straßen schlurften. Er verkaufte Klamotten in einem Jeans-Shop im Basement des Forum Steglitz, was ihn später mehr oder weniger auf eine Stufe mit Malcolm McLaren stellen sollte, er war supercool und extrem charmant zugleich. Direkt nebenan war Zip, der damals, neben Sun-Records und lange vor Zensor, beste Schallplattenladen Berlins. Da saßen Ehres und Tommy und haben Scheiben verkauft. Für die Eingeweihten auch solche Scheiben, die unterm Ladentisch lagen, weil nur kleinste Mengen als Import aus England oder USA rübergekommen waren. „Brauchste!“, war der lakonische, keine Widerrede duldende Kommentar von Ehres, während er die Ami-Pressung von Patti Smith‘ „Horses“ oder „Leave Home“ von den Ramones in eine der markanten, gelben Plastiktüten steckte und über den Tresen schob. Und der Lange stand daneben und grinste wissend. So kam der Punk auch in mein Zimmer. Was nicht ganz vollständig ist, denn ich hatte das Glück, zwischen 1975 und 1979 viel Zeit in Birmingham und London zu verbringen, reichlich britische Punk- und Reggae-Bands der ersten Stunde live in kleinen Clubs zu sehen und Berge von 7inch-Singles und LPs mit nach Hause zu bringen. Das gehört insofern zur Geschichte des Punk in Berlin, als dass es für viele Initiatoren ähnlich war: für Gerrit Meijer von PVC zum Beispiel war ein London-Aufenthalt zur rechten Zeit eine Art Initialzündung. Marius Del Mestre (Dirty Needs, The Wall, Ffurs, Tempo) und Burckhardt Seiler (Der Zensor) erging es ebenso. Trevor Watkins (Stuka Pilots, Ffurs, PVC, White Russia) oder Piers Headley (Pink Wave, White Russia) waren ohnehin in Berlin gestrandete Engländer. Punk wurde nicht in Berlin erfunden, er kam aus New York und aus London. Aber er wurde in der Mauerstadt schnell wahrgenommen, adaptiert, aufgesogen. Und zwar natürlich zuerst von Menschen, die Schallplatten kauften, Tapes zusammenstellten, vielleicht auch den „NME“ lasen und so in der Begeisterung für eine andere, neue Musik zusammenfanden. Genau das war auch der Grund, warum alle Bands der ersten Stunde englisch texteten und sangen.

Der 25. Februar 1977 war ein entscheidender Tag für diese Szene. Die Vibrators traten im Kant-Kino auf. Das erste Punk-Konzert in Berlin! Und alle, die Blut geleckt hatten, kamen. Gerrit Meijer war mit seinem Kumpel Jürgen da. Ihm fiel das halb mit roten Sternen, halb mit Hakenkreuzen bemalte T-Shirt von Knut Schaller auf. Der wollte wiederum den Vibrators-Auftritt auf einem tragbaren Tonbandgerät aufnehmen, das seinen Geist aufgab, als er Raymond entdeckte, welcher den Gig ebenfalls heimlich mitschnitt. Kurze Zeit später wurden die vier zu PVC. Die erste Berliner Punk-Band war gegründet. Knut hatte dabei schon in den Monaten vorher Anläufe gemacht, eine Kapelle auf die Beine zu stellen, dabei bizarre Erlebnisse gehabt und erzählte später: „Ich hatte diese Annonce aufgegeben: ‚Suche Drummer, der Punk Rock machen will‘. Es kamen nur Leute, die das ‚Punk‘ für einen Druckfehler hielten, aber gern sofort als Funk-Mucker angefangen hätten.“ Doch diese Zeiten waren vorbei: am 6. August 1977 spielten PVC bereits vor etwa 150 Leuten, also der gesamten, damaligen Berliner Punk-Szene, in ihrem großen Übungsraum. Und schon am 6. September 1977 absolvierten sie ihren ersten, offiziellen Gig als Support für das zweite Berliner Vibrators-Konzert, wiederum im Kant-Kino. Der Lange und ich lehnten ganz cool an der Wand und sahen uns an: „Das können wir auch.“

So muss es noch anderen gegangen sein, denn langsam kam Leben in die Bude. Anfang September 1977 machte ausgerechnet am Kurfürstendamm das Punkhouse auf. Mehr Discothek als Club, aber mit gelegentlichen Live-Auftritten und heftig von Jäki Eldorado promotet – wegen seines legendären Iggy-Pop-Beinleckers für viele der erste deutsche Punk. Ein Foto vor dem Eingang des Punkhouse wurde damals im amerikanischen Fanzine „Who Put The Bomb“ veröffentlicht, es zeigt einen guten Teil der Berliner Szene, darunter auch Dave Balko, später Sänger bei Ffurs und Tempo. PVC aber waren die Platzhirsche. Sie waren die ersten und für einige Zeit auch ersten der Berliner Szene, die willing and able waren, live zu spielen. Sie holten sich die ersten blutigen Nasen, sprich herben Verrisse in der (bürgerlichen) Presse ab und scherten sich einen Dreck darum. Gleichzeitig wurden sie konstant besser, sie probten, schrieben Songs und kümmerten sich um ihren Sound. Barry Graves, damals DJ beim Radiosender RIAS II, spielte in seiner Show „Graves By Night“ ein erstes PVC-Demo, das Radio-Debut einer Berliner Punk-Band. Der Übungsraum von PVC wurde zu einer Anlaufstelle für weite Teile der Punk-Gemeinde. Die befreundeten Vibrators waren im September 1977 eine Zeit lang zu Gast und später probten dort auch Bands wie Dirty Needs, The Wall und Ffurs. Im Winter 1977/‘78 und den darauf folgenden Monaten tat sich jedenfalls einiges. Die Stuka Pilots wurden gegründet und traten ab Juni 1978 einige, wenige Male auf. Ob das auch auf V3 zutrifft, die erste Band um Trevor Watkins und Uli Kukulies, kann ich nicht mit Gewissheit bestätigen.

Aus der Szene um V3 entstanden jedenfalls Dirty Needs, die mehr oder weniger zweite Berliner Punk-Formation. Uwe Hoffmann trommelte und Trevor Watkins war der Sänger, als die Band im März 1978 ihr Debut als Support von PVC im Punkhouse gab. Am 25. April desselben Jahres, Marius Del Mestre gehörte inzwischen als Bassist zum Line-Up, standen sie als Vorprogramm von XTC auch auf der heiligen Bühne des Kant-Kinos. Aber die Besetzungen wechselten schnell, nichts war so sicher wie die Veränderung. Aus Dirty Needs ging The Wall mit Marius, jetzt als Gitarrist, Ferry, Dopey und Matsch (Ex-Emirat-030, der Name stammte von Blixa Bargeld) hervor. Drummer Hoffmann – später PVC, White Russia und vor allem Produzent der Ärzte – war Mitbegründer der Evil Kids. Die hatten zwar einen super Bandnamen, posten aber vor allem auf Partys und spielten erst, als schon keiner mehr damit rechnete, Ende 1978 dann noch zwei-, dreimal live.

Und was machte Der Lange? Er scharte in seiner Steglitzer 2-Zimmer-Wohnung eine Clique Gleichgesinnter um sich, aus denen später Tempo werden sollten. Im Winter 1977/#78 war das erstmal ein loser Haufen Vinyl-Junkies, die sich neben diversen, stimulierenden Mitteln die allerneuesten Scheiben aus England reinzogen. Aber spätestens im darauffolgenden Sommer stellten wir fest, dass auch wir das Motto „Klaue eine Gitarre, lerne drei Akkorde, gründe eine Band!“ leben wollten. Im Keller einer benachbarten Schule fanden nun wöchentliche Proben statt, falls man das so nennen konnte. Im Music Market in der Schöneberger Martin-Luther-Straße wurde zu diesem Zweck ein beeindruckend großer Orange-Verstärker samt Box ausgeliehen. Der hatte drei Eingänge, so dass Cramps-mäßig zwei Gitarren und der Gesang darüber laufen konnten. Der Rest war pure Punk-Anarchie, wie sie gewiss zu dieser Zeit in etlichen Übungskellern zwischen L.A. und der Mauer stattgefunden hat.

Ein absolut einschneidender Termin für die West-Berliner Punk-Szene war die Nacht vom 11. auf den 12. August 1978: in der Kreuzberger Oranienstraße eröffnete das SO 36 mit einem Festival, auf dem unter anderem die Stuka Pilots, PVC, Ffurs, The Wall und Din-A-Testbild spielten. Von nun an gab es neben dem Punkhouse und dem Live-Venue Kant-Kino einen dritten Club, noch dazu einen, der die reine Lehre predigte – man könnte auch die reine Leere sagen, denn die Einrichtung bestand lediglich aus einer großen Bühne, einem alten Ballhaus-Tresen, dahinter ein halbes Dutzend Kühlschränke, davor sechs oder acht alte Öltonnen für die leeren Bierbüchsen und an der (wie die Wände auch) tiefschwarz gestrichenen Decke drei Dutzend Neonröhren. Ich hatte den Sommer in England verbracht, aber die guten Nachrichten waren zu mir durchgedrungen. Der Laden war großartig, aber die Musik, die im Anschluss an das Konzert lief, hielt das Niveau in keiner Weise. Ich sagte dem „Geschäftsführer“ Achim Schächtele, dass ich genau der DJ sei, den sein Laden bräuchte. So war es auch und ich hatte die geniale Mischung aus Fun und Job gefunden. Eine Zeit lang legte auch „Der Zensor“, Burckhardt Seiler, auf, der mit seinem Bauchladen frisch importierter USA- und UK-Singles über die Berliner Flohmärkte zog.

Für etwas mehr als ein Jahr wurde das Esso der entscheidende Focus der first generation der Berliner Punk-Szene. Einigen Kreuzbergern, viele von ihnen allerdings zugezogene Schwaben, gefiel das nicht besonders. Der Laden brachte auch renommierte, internationale Bands wie Wire oder 999 auf die Bühne und erhob dafür ein angemessenes Eintrittsgeld. Außerdem wurde ein für New York oder London typisches, in bestimmten Kreuzberger Kreisen eher unverstandenes und daher unerwünschtes Crossover zur Kunstszene gepflegt, namentlich zu den „Jungen Wilden“ um die Galerie am Moritzplatz mit Malern wie Salomé, Bernd Zimmer und Middendorf oder dem Künstler und Mentor Kippenberger. Das zog eben auch ein etablierteres, schickeres Publikum in die Oranienstraße. Es gab immer wieder Zoff bis hin zu wirklich brutalen Schlägereien. Der Tiefpunkt war erreicht, als beim Wire-Konzert ein selbsternanntes „Kommando gegen Konsumterror“, wohl aus dem Kreuzberger Umfeld von Katapult und Auswurf, das SO 36 stürmte und mit mehreren 1000 Mark aus der Abendkasse verschwand. Vielleicht kommt aus dieser Phase der Eindruck, es hätte von Anfang an eine rivalisierende Schöneberger und eine Kreuzberger Punk-Szene gegeben. Tatsache ist, dass eine „Schöneberger“ Szene in diesem Sinne nie existierte. Die Musiker kamen auch aus Charlottenburg, Steglitz, Friedenau, Moabit oder Tiergarten. Sogar ein, zwei Spandauer waren dabei. Mag sein, dass die Kreuzberger eher unter sich blieben – am Anfang des Punk in Berlin war es völlig egal, wo eine Band herkam, und das, was später als „Kreuzberger Punk“ fimierte, spielte damals noch gar keine Rolle.

Die Szene war gewachsen, diverse Bands standen regelmäßig auf den wenigen Berliner Bühnen. Aber Ende 1978, die Sex Pistols hatten sich längst aufgelöst, war immer noch keine einzige Scheibe einer Berliner Punk-Band erschienen. Worauf warteten PVC nur? Was war mit Dirty Needs, den Stuka Pilots, The Wall oder den Evil Kids? Englische und amerikanische Bands, musikalisch die Vorbilder dieser Berliner Gruppen, hatten auch gezeigt, dass das Produzieren von Schallplatten, und sei es nur einer ersten Single, kein Buch mit sieben Siegeln und schon gar kein Vorrecht eines etablierten Konzerns war. Die Ffurs, neben PVC sicher die am höchsten gehandelte, neue Band, machten als erste ernstzunehmende Anstalten, eine Berliner Indie-Scheibe herauszubringen. Ein Tape mit acht oder neun Songs wurde in einem kleinen 8-Spur-Studio produziert, dem Musiclab von Harris Johns. Es sollte über Sun Records, dem hervorragend sortierten Schallplattenladen von Peter Leuwarden, veröffentlicht werden. Dazu ist es nie gekommen. Stattdessen löste sich die Band mehr oder weniger auf. Uli Kukulies und Trevor Watkins gingen zu PVC, wo Drummer Jürgen weichen musste. Diese neue PVC-Besetzung konnte nicht so überzeugen, wie das geliebte Original-Quartett, und war dementsprechend kurzlebig. Währenddessen stellte Marius Del Mestre, erst kurz nach den erwähnten Aufnahmen zu Ffurs gestoßen, eine kurzlebige, letzte Besetzung der Band mit Dave Balko als Sänger zusammen, die über einen einzigen Auftritt nicht hinauskam.

Inzwischen war auch aus der losen Clique um den Langen und mich eine richtige Band geworden. B.O.D.O am Schlagzeug, Mick Hellebrand am Bass, der Lange sang und ich spielte Gitarre. Der Name Tempo enstand auf einer rasanten Fahrt mit meinem alten R4, der an einer Bodenwelle in den freien Flug abhob. „Tempo, Tempo!“ brüllte jemand, und der Bandname war gefunden, ebenso ein richtiger Proberaum am Kreuzberger Paul-Linke-Ufer. Vorne probten uns eher unheimliche Bands wie Sechserpack oder Rotz und die etablierten Deutschrocker von Morgenrot, die am Ufer auch die gleichnamige Kneipe betrieben und sich als absolut freundliche und hilfreiche Kollegen erwiesen. In diesem Proberaum fanden, ähnlich wie 1 ½ Jahre zuvor bei PVC, die ersten Gigs und Partys für Freunde und Fans statt. Allzu bald aber ohne den Langen. Der hatte „Punk“ irgendwie falsch definiert und hart zusammengekratzte Bandkohle durchgebracht, dazu noch ein paar rare Scheiben, die ich ihm geliehen hatte, auf dem Flohmarkt verscherbelt. No way, Langer. Wir sind die Gang und Du bist raus. Der erste offizielle Gig von Tempo fand also ohne ihn und als Trio (ich musste unfreiwillig singen) bei der Eröffnung des Zensor-Schallplattenladens statt. Der wiederum befand sich im Hinterzimmer der Ted- und Punk-Klamottenboutique Blue Moon in der Belziger Straße in Schöneberg. Von der Ladefläche eines Lastwagens spielte zuerst eine Band mit Matsch am Bass und Blixa Bargeld als Sänger, dann kamen Tempo und dann die Polizei. PVC, die top of the bill waren, durften nicht mehr. Ein gelungenes Debut! Wenig später lösten sich Ffurs endgültig aus, und Marius Del Mestre und Dave Balko standen vor der Tür. Man kannte sich und sie waren willkommen. Zwei Wochen wurde wie irre geprobt, dann ging es ins Musiclab-Studio und ein Tape mit sieben Songs wurde in Eigenregie produziert. Drei Titel davon bestanden den Band-Test, ein Label wurde gegründet, ein Presswerk gefunden und 1000 Singles wurden gepresst. Es war so einfach. Warum hatte das niemand vor uns gemacht? Im Mai 1979 war also endlich die erste Berliner, nein, die erste deutsche Punk-Single erschienen, eine Woche bzw. einen Monat vor den Scheiben der Düsseldorfer Bands Materialschlacht und Mittagspause. Zur Veröffentlichung spielten Tempo zwei brechend volle Gigs im Keller des Zensor, die Single lief im Berliner Radio und wurde im englischen „Melody Maker“ verrissen. Im Juli 1979 war sie ausverkauft und die investierte Kohle wieder drin.

Zur selben Zeit machte PVC die nächste Metamorphose durch: Sänger Trevor Watkins, Drummer Ulli Kukulies und Gitarrist Gerrit Meijer (für viele die Seele von PVC) gründeten White Russia, und zwar zusammen mit Bassist Piers Headley, der von Pink Wave kam, einer Band, in der Annette Humpe, später Bundesband, X-Pectors und Ideal, die Keyboards spielte. White Russia ersetzten Kukulies schon bald durch den Ex-Evil-Kids-Drummer Hoffmann. Bei PVC wurde dafür der frühere Schlagzeuger Jürgen reaktiviert und von der Berliner Hardrock-Combo Bel Ami kam der sich schon lange im PVC-Dunstkreis bewegende Gitarrist Jimmy Hülsmann dazu. Erst in den Achtziger Jahren wurden dann – mit wechselnden Drummern – die zwei PVC-LPs auf RCA eingespielt, viel zu spät und, sorry Jimmy, einfach in der falschen Besetzung. Der Sommer und Herbst 1979 waren eine gute Zeit für Tempo. Die spielte mehrere, ausverkaufte Konzerte in der Schöneberger Music Hall, unter anderem mit Mania D., dem Malaria!-Vorläufer, und mit Mittagspause. Besonders die beiden Record-Release-Konzerte zur 10inch-EP „Beat Beat Beat“ im September waren bemerkenswert.  Die 1000 Exemplare der wiederum selbstproduzierten Scheibe waren in knapp drei Wochen ausverkauft und die Band war einfach zu doof oder desinteressiert, um schnell nachpressen zu lassen – ein paar Tausend Stück mehr wären sicher weggegangen. Das Jahr endete dann mit zwei Konzerten, die unterschiedlicher nicht hätten sein können: am 23. Dezember veranstalteten die drei Berliner Bands White Russia, die ihr Debut gaben, Din-A-Testbild und eben Tempo ein mit über 1000 Besuchern ausverkauftes und umjubeltes Konzert, „The Night Before“, im Quartier Latin in der Potsdamer Straße. Und eine Woche später, am 29.12.1979, versuchten „Die Kreuzberger“ (waren es Mitglieder von Katapult? Von Auswurf? Von der Beton Combo?) uns beim von Alfred Hilsberg veranstalteten „Geräusche für die 80er“-Festival von der Bühne der Hamburger Markthalle zu prügeln. Tempo brachen den kaum begonnenen Gig ab. Die dogmatischen Kreuzberger waren da, links außen sozusagen. Und rechts außen kam die „Neue Deutsche Welle“ herangespült. In der Mitte verschwand der, wenn man es wirklich so nennen will, „Schöneberger Punk“. Die Bands hatten sich aufgelöst oder weiterentwickelt. White Russia lieferten in der Folge atemberaubende Auftritte ab, Geile Tiere, um den schwulen Maler Salomé, bereicherten die Szene, TV-War wurden gegründet. Tempo bekamen einen Major-Label-Deal, wurden dafür gehasst, entwickelten sich als Band aber ganz enorm, und PVC machten endlich Schallplatten.

Im Sommer 1980 lehnte ich am Tresen des Dschungel in der Nürnberger Straße. Die bei Polydor erschienene Tempo-LP „Roomside/Streetside“ war seit zwei, drei Monaten auf dem Markt und es waren vielleicht 4000 Stück über den Ladentisch gegangen. F.J. Krüger, Gitarrist von Ideal, kam rein, bestellte ein Bier und sah ganz blass aus. Ich fragte, was los sei. „Unsere erste LP ist doch seit zwei Wochen draußen.“ „Ja, und?“ „Naja, wir haben schon 20.000 Stück verkauft.“ Da wusste ich: die erste Punk-Welle war definitiv vorbei, die NDW hatte gesiegt. Und der Rest ist Geschichte.

© Peter Radszuhn, 2002

Anmerkung: Der Text wude für den vom Weird-System-Label veröffentlichten Sampler „Berlin Punk Rock, 1977-1989“ verfasst.

Mit freundlicher Genehmigung von Albena Radszuhn und Weird System.